Wer?

Wer bin ich?

Meine hybride Identität ist das Resultat einer kontinuierlichen Entwicklung, geprägt durch meine ägyptische Herkunft und meine Migration nach Deutschland vor fast 30 Jahren. Die Identifikation mit der arabischen und deutschen Kultur, die sich in meinem akademischen Werdegang widerspiegelt, bildet das Fundament meines wissenschaftlichen Wirkens und meines Engagements für den interkulturellen Dialog und die Völkerverständigung.

Ich wurde 1978 in Damanhur geboren, einer Stadt im ägyptischen Nildelta – geprägt von kultureller Verwurzelung und einem offenen, herzlichen Miteinander. Schon früh aber richtete sich mein Blick über die Grenzen meiner ersten Heimat hinaus – hin zu einer Sprache, die mich auf besondere Weise fesselte: Deutsch.

Mit Büchern vom Nil an den Rhein
Was in meiner Kindheit mit den Märchen der Gebrüder Grimm in arabischer Übersetzung begann, setzte sich in meiner Jugend mit den Werken von Hermann Hesse, Thomas Mann und Günter Grass fort. Sie eröffneten mir neue Denkwelten und weckten eine tiefe Faszination für die deutsche Kultur und Geschichte – insbesondere für den Wiederaufstieg Deutschlands aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs, gleich einem Phönix aus der Asche.

Anders als die meisten meiner Mitschüler entschied ich mich auf der Oberschule bewusst für Deutsch als zweite Fremdsprache – eine Wahl, die meinen Lebensweg maßgeblich prägte. Über den Schulunterricht hinaus vertiefte ich meine Sprachkenntnisse mit Radioprogrammen der Deutschen Welle und im Austausch mit deutschen Brieffreunden. Nach dem Abitur stand mein Entschluss fest: Ich wollte in Deutschland studieren – in jenem Land, das mich über Jahre hinweg intellektuell begleitet hatte.

Am Goethe-Institut in Alexandria bereitete ich mich gezielt sprachlich und kulturell vor. Diese Zeit intensiven Lernens und interkulturellen Austauschs bestärkte meinen Wunsch, Deutschland aus nächster Nähe zu erleben. Im Jahr 1997 trat ich schließlich meine Reise an – vom Nildelta hinein in eine neue Lebenswelt, getragen von Neugier, Tatkraft und festem Willen, mich nicht nur akademisch, sondern auch persönlich weiterzuentwickeln.

Islamwissenschaft als akademische Heimat in Deutschland

Zu Beginn meiner akademischen Reise strebte ich an, Germanistik und Neuere Geschichte zu studieren, mit dem Ziel, später nach Ägypten zurückzukehren und an der Universität Kairo oder am Goethe-Institut zu arbeiten. Doch wie es im Leben oft der Fall ist, führte mich der Weg in eine andere Richtung und eröffnete mir völlig neue Horizonte. Mit der Islamwissenschaft entdeckte ich eine Fachdisziplin, in der ich mich sowohl fachlich als auch persönlich verorten konnte. An der Ruhr-Universität Bochum (RUB) traf ich auf Lehrende, die mir neue Perspektiven auf meine kulturelle Herkunft eröffneten. Doch ich übernahm diese Sichtweisen nicht einfach unreflektiert – vielmehr stellte ich sie meinem eigenen Wissen und meinen Erfahrungen gegenüber und entwickelte eigene Perspektiven. Die Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdwahrnehmung wurde seitdem zum roten Faden meines Denkens: Als jemand, der in beiden Kulturen lebt, wollte ich wissenschaftliche Diskurse in Deutschland und im arabischen Raum nicht nur rezipieren, sondern auch aktiv mitgestalten.

An der RUB absolvierte ich mein Bachelorstudium in Islamwissenschaft, Orientalischer Philologie und Politikwissenschaft – mit besonderem Interesse an der Koranwissenschaft, islamischer Geschichtsschreibung, der Geschichte Ägyptens vom späten 18. Jahrhundert an, dem Regierungssystem Deutschlands sowie dem Spannungsfeld von Migration und Integration. Während meines Studiums in Bochum erlernte ich zudem drei weitere orientalische Sprachen: Farsi, Urdu und Usbekisch. Diese Sprachen erweiterten meinen Blick auf kulturelle und politische Entwicklungen, die über den deutschen und arabischen Raum hinausgingen. In meiner Abschlussarbeit über Islamismus in Deutschland beschäftigte ich mich 2003 erstmals intensiv mit dem Islam als politischem Faktor – ein Thema, das mich bis heute begleitet.

Im anschließenden Masterstudium vertiefte ich mein Wissen und beschäftigte mich intensiv mit arabischen Primärquellen islamistischer Vordenker und analysierte deren Argumentationsstrukturen. Mir wurde deutlich, wie tief diese Ideologien in bestimmten theologisch-politischen Denktraditionen verwurzelt sind und wie sie sich ideengeschichtlich transformierten. In meiner Masterarbeit zeichnete ich daher im Jahr 2006 den Paradigmenwandel in der Jihad-Konzeption nach, im Rahmen einer Studie, die nicht nur ideologische Diskurse, sondern auch den Wandel soziopolitischer Kontexte beleuchtet.

Wissenschaft als persönliche Entfaltung und gesellschaftliche Verantwortung

Ein bedeutender Meilenstein war meine mehrjährige, nebenberufliche Promotion an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, die ich im Jahr 2022 mit summa cum laude abschloss. In meiner Dissertation „Theologie der Barbarei: Die jihadistische Doktrin des Abū ʿAbdallāh al-Muhāǧir“ analysierte ich die theologischen Rechtfertigungsnarrative, die militante Islamisten zur Legitimierung exzessiver Gewalt einsetzen. Durch die Kombination islamwissenschaftlicher sowie sozial- und politikwissenschaftlicher Ansätze konnte ich eine umfassende Analyse ausarbeiten. Diese Arbeit wurde 2023 vom Rektorat der Universität erfreulicherweise als „herausragende Dissertation“ ausgezeichnet.

Meine akademische Laufbahn war nicht nur eine intellektuelle Entdeckungsreise, sondern auch ein Prozess der persönlichen Weiterentwicklung, der bis heute andauert. Die Auseinandersetzung mit dem Islam und dem Vorderen Orient von Deutschland aus ermöglicht mir, neue kulturelle Zugänge zu schaffen – nicht als jemand, der zwischen zwei Kulturen steht, sondern als jemand, der beide Perspektiven aktiv reflektiert, miteinander in Dialog bringt und aus ihrer Wechselwirkung neue Erkenntnisse gewinnt. Diese Reflexion prägt mein Denken und Wirken bis heute. Sie ist weitaus mehr als eine wissenschaftliche Methode; sie ist eine Haltung, die es mir ermöglicht, komplexe Zusammenhänge differenziert zu betrachten, neue Perspektiven zu erschließen und die Völkerverständigung zu fördern. Seit meinem Studium beteilige ich mich daher an Dialoginitiativen in Deutschland und dem arabischen Raum. Und ich bin davon überzeugt, dass ein fundiertes Verstehen des Anderen und seiner inneren Dynamiken nicht nur für die Forschung von großer Bedeutung ist, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zu gesellschaftlicher Integration und Aufklärung leisten kann – sei es in Universitätslehre, politischer Bildung oder gesellschaftlichen Debatten.

Heute, viele Jahre später in Deutschland, bin ich dankbar für diesen Weg – nicht nur, weil er mich fachlich prägte hat, sondern weil er mir auch zeigte, wie kraftvoll Wandel sein kann. Mein Antrieb bleibt: Menschen zu begleiten, Räume zu schaffen für Entwicklung, Dialog und neues Denken.