Eine literarische Begegnung

Kaum ein deutscher Autor hat sich so intensiv, so respektvoll und so poetisch mit dem Islam auseinandergesetzt wie Friedrich Rückert. Als Sprachgenie, Übersetzer und Dichter brachte er die spirituelle Tiefe und literarische Schönheit islamischer Dichtung in den deutschen Kulturraum – und öffnete damit Türen für ein neues Verständnis des Fremden.
Friedrich Rückert (1788–1866) zählt zu den faszinierendsten Gestalten der deutschen Literaturgeschichte – nicht nur als Poet, sondern als leidenschaftlicher Vermittler orientalischer Kulturen. Seine Auseinandersetzung mit dem Islam und der islamischen Dichtung war geprägt von Neugier, Respekt und einem feinen Gespür für sprachliche wie geistige Tiefe.
Sprachliche Meisterschaft und geistige Nähe
Rückert erlernte Arabisch, Persisch und Türkisch mit einer Hingabe, die weit über akademisches Interesse hinausging. Ihn trieb der Wunsch an, nicht nur Texte zu übersetzen, sondern Denkweisen und Weltbilder zu verstehen. Besonders die mystischen Traditionen des Islam berührten ihn: Die Verse von Hāfiz, Rūmī oder Saʿdī empfand er als Ausdruck universeller Weisheit.
Mehr als Übersetzung – ein schöpferischer Dialog
In seinen Übertragungen – etwa von Teilen des Korans oder den arabischen Makamen des Hariri – verband Rückert philologische Genauigkeit mit dichterischer Kreativität. Werke wie die „Östlichen Rosen“ sind inspiriert von der orientalischen Poesie, aber ganz in seiner eigenen Sprache gestaltet – ein poetischer Austausch auf Augenhöhe.
Der Islam als Teil der Weltliteratur
Für Rückert war der Islam keine ferne, fremde Größe. Er erkannte darin eine spirituelle Tiefe, eine ethische Kraft und eine poetische Form, die der abendländischen Dichtung ebenbürtig war. Seine Werke zeugen von einer Haltung, die auch heute noch zeitgemäß erscheint: einer offenen, vorurteilsfreien Annäherung an andere religiöse und kulturelle Traditionen.
Ein Denker gegen den Zeitgeist
Während viele seiner Zeitgenossen die islamische Welt aus einer eurozentrischen Perspektive betrachteten, suchte Rückert das Verbindende. Seine Texte stehen für einen Zugang zum Islam, der auf echtem Verstehen beruht – nicht auf Vereinfachung, Abgrenzung oder Romantisierung.
Ein Essay von mir über Rückerts Koranübertragung ins Deutsche finden Sie hier. Tauchen Sie ein in die faszinierende Welt einer poetischen Übersetzung zwischen Geist, Sprache und Kultur.